Stress beim Hund oder keine Zeit dazu?

PatrickAusgeglichenheitLeave a Comment

Stress beim Hund oder keine Zeit dazu

Sich mit Stress-, Angst- und Beklemmungszuständen auseinander setzen zu müssen, kann eine der schwierigsten Aufgaben sein, die einem Hundetrainer gestellt werden. Die meisten Verhaltensauffälligkeiten oder Stress beim Hund entstehen dann, wenn es einen Überschuss an etwas gibt: zu viel Aufregung, zu viel Tatendrang, zu viel Energie, zu viel Frustration usw. aber Angst und Beklemmung basieren auf einem grundlegenden Mangel. Diese Probleme entstehen durch einen Mangel an Selbstvertrauen.

Aufbau von Charakterzügen erfordert Fingerspitzengefühl

Das Aufbauen von emotionalen Charakterzügen bedarf weit mehr Fingerspitzengefühl, als einem Hund eine Eigenschaft einzuschärfen, die seiner Natur bereits voll und ganz entspricht. Hierbei sind komplexe biologische Vorgänge am Werk und verschiedene biologische Komponenten, wie z.B. Aggression, führen dazu, dass der Hund sehr verängstigt sein kann. Auch gibt es Entwicklungsphasen im frühen Welpen-Alter, die einen Hund permanent in seiner Fähigkeit stressige Situation zu ertragen, prägen können. Ich erwarte gar nicht, dass ich irgendwann einmal jeden verängstigen Hund „reparieren“ kann, aber ich will so vielen Hunden wie nur möglich helfen.

Im Laufe der Zeit haben mich Trainingsmethoden zur Motivation immer wieder fasziniert und ich selbst habe mit dieser Trainingsmethode unglaubliche Fortschritte bei den Hunden erzielt.

Selbst bei Hunden, die gering ausgeprägte Angstzustände oder Probleme mit dem Selbstbewusstsein hatten, konnte das Selbstbewusstsein schon dadurch gesteigert und stressige Reaktionen auf Unsicherheiten dadurch verringert werden, dass man im Hund das Verlangen danach, etwas zu erreichen, weckte.

Alles was ein Lebewesen tut ist Zielgerichtet

Alles, was ein Lebewesen tut, ist zielgerichtet. – Entweder auf eine Sache zu oder von einer Sache weg. Verhaltensmuster, die gleich aussehen, können verschiedene Absichten haben und verschiedene Gehirnareale nutzen. Wenn z.B. drei Leute zum Trainieren ins Fitnessstudio gehen, kann es sein, dass der Erste Gewicht verlieren will, der Zweite gesund leben will und der Dritte nach einem Endorphin-Kick sucht, den er nur durch extremes Training bekommt. Jeder dieser drei Menschen hat eine unterschiedliche Motivation und ein eigenes Ziel, aber nach außen hin kann man unmöglich sagen, wer was warum tut. Mit der Zeit werden allerdings die beiden Leute, die auf der Suche nach etwas sind, langfristige Ergebnisse erzielen. Derjenige allerdings, der nur hingeht, weil ihm das Training Spaß macht, wird wahrscheinlich mehr Erfolg haben, als die, die aus gesundheitlichen Gründen gehen. Was aber hierbei noch viel wichtiger ist, ist, dass bei dieser Aktion unterschiedliche Gehirnareale angesprochen werden, wenn wir dazu entscheiden, ins Fitnessstudio zu gehen. Daher ist motivationsbasierte Arbeit so wichtig, wenn wir mit schüchternen, verängstigten und mit Hunden ohne Selbstbewusstsein arbeiten.

Die Möglichkeit, die Kreativität zu steigern

Das Verlangen nach Belohnung (die „auf etwas hin Antwort“) und das Vermeiden von Bestrafungen (die „von etwas weg Antwort“) lassen sich biologisch nicht miteinander vereinbaren. Beide Aktivitäten sprechen jeweils unterschiedliche Gehirnareale an. Die Bestrafungsantwort führt dazu, dass ein Säugetier auf weitere Bestrafungen und Bedrohungen wartet, den Appetit unterdrückt und Kreativität und Impulskontrolle unterdrückt werden und verkümmern. Die „auf etwas hin Antwort“ sucht nach Möglichkeiten, um die Kreativität zu steigern, den Appetit anzuregen und die Neugierde zu wecken. Diese zwei Geisteszustände könnten gar nicht unterschiedlicher sein.

Wenn wir uns für den motivationsgeprägten Weg entscheiden, dann fordern wir den Hund, auf, aktiv nach Belohnungen zu suchen, indem er bestimmte Aufgaben unter immer schwieriger werdenden Bedingungen erfüllen muss. Sobald wir eine solide und feste Basis geschaffen haben, bringen wir den Hund dazu, diese Aufgaben unter Einsatz von bekannten Triggern auszuführen und, falls wir es richtig angehen, wird der Hund es kaum merken. Er konzentriert sich voll und ganz darauf das Spiel zu gewinnen. Gewinnen macht nämlich wesentlich mehr Spaß, als auf einen Stressauslöser zu reagieren. Innerhalb kürzester Zeit werden diese Trigger dann nur noch Hintergrundgeräusche für den Hund sein, selbst wenn er gar nicht beschäftigt ist.

Auch wenn es nicht über Nacht geschieht, so können wir es doch schaffen, dass der Hund sich auf das, was er erreichen soll, konzentriert, er denkt dann nicht mehr so sehr darüber nach, was er nicht haben will oder was vielleicht passieren könnte.

Allerdings ist es noch wesentlich wichtiger anzumerken, dass verängstigte Hunde oftmals ein vorgefertigtes Angstverhalten haben. Wenn sie sich Unsicherheiten ausgesetzt fühlen, dann tritt die Angst automatisch ein. Der Weg vom Selbstvertrauen zur Angst ist dem Hund so bekannt, dass er ganz automatisch und ohne große Vorwarnung in diesen Zustand abrutschen kann.

Motivationsbasierte Spiele erlauben dem Hund einen anderen Gedankenzustand

Wenn wir mit einem Training beginnen das bestimmte Teile im Hirn anspricht, dann beginnen wir auch damit, eine andere Antwort vorzubereiten. Wir erschaffen bessere neurale Verbindungen, die die Motivation und nicht die Angst ansprechen. Wir machen den Hund langsam mit diesem neuen Zustand vertraut. Wenn wir kurze, motivationsbasierte Spiele über den Tag verteilt immer wieder spielen, dann werden die alten Gewohnheiten durch neue ersetzt. In diesem Gedankenzustand glaubt der Hund an seine eigenen Fähigkeiten, die seine Umwelt beeinflussen und er gewöhnt sich langsam daran. Er konzentriert sich voll auf eine Aufgabe und meistert diese dann auch. Mit der Zeit erschaffen wir so einen Hund, der sich darauf freut, neue Herausforderungen zu meistern. Wenn ich von Spielen spreche, meine ich nicht Tricktraining, Agility oder andere Sportarten, diese aktivieren diesen Zustand nur zu einem gewissen Prozentsatz, denn das sind alles menschlich orientierte Aktivitäten.

Je besser ein Hund wird,
desto selbstsicherer wird er

Erfolg lockt weiteren Erfolg an. Je besser ein Hund wird, je selbstsicherer wird er auch. Sich für Motivation zu entscheiden ist wesentlich wichtiger und umfangreicher, als sich einfach nur Gedanken über das Wie zu machen. Es geht darum, welche biologischen Triebe wir ansprechen wollen. Soll der Hund seine Unsicherheit ableben oder wollen wir dies als Chance sehen, um ein Problem zu lösen und eine Belohnung zu bekommen?
Mit ausreichender Motivation können wir die Nebenwirkungen von Stress deutlich reduzieren. Da wir unsere Erfolge mit dem Wort „Ja!“ kennzeichnen, können wir auch getrost davon ausgehen, dass diese Hunde „zu sehr mit dem Ja beschäftigt sind, um Zeit für Stress zu haben!“.

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